Eine abgedunkelte Bühne. Der Flügel ist offen. Magnetische Tonabnehmer, kupferfarbene Riegel, schweben über den Saiten. Aus dem Inneren quellen Lianen hervor, Kabel in vielen Farben. Geräte-Racks flankieren den Arbeitsplatz zur Linken und zur Rechten des Spielers. Knöpfe, Schalter, Regler. Blinkende LEDs zeigen das pulsierende Innenleben der Geräte an. Am Boden im Halbkreis eine Serie von Steuerpedalen. Eine Einladung zum Spiel mit Händen und Füßen.
So sieht die Schaltzentrale aus. Hier beginnt die Reise.
Es ist ein Spiel mit Klängen und elektronischen Versuchsanordnungen. In dem Live-Projekt PIANO LUMINE trifft Klavierimprovisation auf analog-elektronische Effekte. Auf technischem Weg wird der Klang des akustischen Flügels im Augenblick seines Entstehens umgeformt, gefiltert, angereichert und moduliert, querbeschleunigt, zentrifugiert, aufgespalten und wieder zur Fusion gebracht.
Mit wachen Antennen werden die reichen Eigenresonanzen des Instruments aufgenommen, weiter verstärkt und klanglich verarbeitet. Oft schon jenseits der Kenntlichkeit, bleibt der Klang des akustischen Instruments doch immer als Ausgangs- und Bezugspunkt präsent. Die Transformation ist nah, real, sinnlich. Ein Tonexperiment in Echtzeit.
Die Suche nach dem Ungehörten gibt die Richtung an. Die Energie des Tons am Saitenkern gepackt, Vibrationen abgelauscht mit magnetischen Ohren. Verkabelt, verstärkt, gebündelt im elektrischen Prisma, wirft der Schallstrahl seine Farben in den Raum. Hybride Tongestalten schwärmen aus.
Mischpult, Filter, Phaser, Hallspiralen bestücken die Palette, von der der Improvisator die Farben nimmt. In ihrer Eigenwilligkeit werden die analogen Effekte zu Mitspielern des Geschehens. Die Filterbank steuert ihre Resonanz als Mittelstimme bei, die Ringmodulation bricht aus dem temperierten Raster aus, sich gegenseitig anspielende Delay-Prozessoren erzeugen hypnotische rhythmische Muster.
Die Zielstrebigkeit des Klavierimprovisators im Wechselspiel mit der Unvorhersehbarkeit der Feedbackschleife. Reaktion von Klang und Strom. Tanz der Elektronen. Eine musikalische Live-Collage, eine Reise in das Innere des Klangs.
Die Temperatur, die entsteht, lässt musikalische Welten verschmelzen. Improvisation im Geist der freien Musik und des modernen Jazz, aufblitzende Splitter von Scarlatti, Skrjabin oder Schumann, die schillernden Harmonien eines Charles Mingus und eines Olivier Messiaen, spektrale Erforschung des Raumklangs, orientalische Melodik und westafrikanische Perkussionswelten hinterlassen ihren Abdruck.
Ein verspielter Zugang zur Sinnlichkeit des Musizierens und Hörens mit technischen Mitteln - und eine Reverenz an den machtvollen und prekären Klang des Klaviers mit seiner langen Geschichte und seiner nicht nachlassenden Anziehungskraft.